Heiner Dickhaut
Heiner Dickhaut, Jahrgang 1963, geboren in Treysa, aufgewachsen in Borken, Fachabitur in Melsungen. Bergbau-Studium in Bochum – bis zum Grubenunglück in Stolzenbach im Jahr 1988, der Grube, in der er selbst schon gearbeitet hatte und wo er jeden Bergmann kannte. Zwei Tote gab es im Freundeskreis der Familie – und Dickhaut geht seit dem Grubenunglück nicht mehr gern unter Tage. Wechsel des Studiums: Soziale Arbeit in Kassel, Kultur- und Bildungsmanagement in Hamburg. Nach vielen beruflichen Stationen kam er 2015 zum DRK, leitet seitdem den Stadtteiltreff Mombach in der Kasseler Nordstadt. Dickhaut ist verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter.
Wie spannend ist eigentlich die Nordstadt?
Nordstadt ist absolut spannend. Es passiert täglich etwas.
Wie meinen Sie das?
In der Nordstadt lebt eine vielfältige und bunte Gesellschaft. Mit Blick auf die Statistik heißt das: 63 % der Nordstadtbewohner haben einen Migrationshintergrund. Sie kommen aus der Türkei, Bulgarien, Syrien, Serbien oder Polen. In der Presse werden häufig eher die Missverständnisse und Probleme im Zusammenleben thematisiert. Aber das ist nicht das wahre Bild der Nordstadt. Die Nordstadt ist ein Stadtteil mit vielen verschiedenen Kulturen und vielen Beispielen von gelungenem interkulturellem Zusammenleben. Ein Beispiel dafür: der Nordstadtflohmarkt.
Spiegelt sich die Bevölkerungsstruktur des Stadtteils bei Ihnen wider?
Unsere Angebote richten sich an alle im Stadtteil lebenden Menschen. Trotzdem stellen wir fest, dass zum überwiegenden Teil unsere Angebote von Deutschen genutzt werden. Aber wir haben auch Klientel mit Migrationshintergrund; vielleicht etwa zwölf Nationen. Es ist leider so, dass viele der Gruppen unter sich bleiben. Und doch: bei großen Veranstaltungen treffen die Menschen aufeinander und arbeiten zusammen.
Ist also eine Lücke im Angebot, sich auf bestimmte Gruppen mit Migrationshintergrund zu konzentrieren?
Es ist nicht so, dass wir keine interkulturellen Angebote machen. Es gibt eine breite Palette dieser Angebote. Zuvorderst ist hier unser Flohmarkt zu nennen. Weiterhin gibt es über das Jahr verteilt immer einige Veranstaltungen, die gezielt verschiedene Kulturgruppen ansprechen. Dieses funktioniert in der Regel sehr gut.
Wie viele Menschen nutzen denn die Angebote des Stadtteiltreffs?
In der Woche etwa 200, die Zahl ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen.
Was ist für Sie erfolgreiche Arbeit?
Unsere Arbeit besteht in erster Linie darin, mit den Menschen Kontakt zu haben und Anlaufstelle zu sein.
Wie viel Ihrer Arbeit ist Programm und wie viel ist, ja, einfach da zu sein?
Zwei Drittel meiner Arbeitszeit besteht darin, ansprechbar zu sein, einfach zuzuhören.
Wie groß ist Ihr Team?
Es gibt acht Honorarkräfte und etwa 45 ehrenamtliche Mitarbeiter. Hauptamtlich gibt es zwei Reinigungskräfte und mich.
Welche Ziele haben Sie noch mit dem Stadtteiltreff?
Kurzfristig ist ein Ziel, eine Entlastung für mich zu finden, eventuell mit Hilfe des Arbeitsamtes oder auf Basis einer 450-Euro-Anstellung.
Mittelfristig?
Dass wir unsere Arbeit ausbauen und die bisherigen Angebote auch zukünftig weiter anbieten können. Derzeit geschieht das, auch mit Spenden. Die brauchen wir auch, ich mache es an einem Beispiel deutlich: Wir haben eine Tanzgruppe, die vor 34 Jahren gegründet wurde. Die Frauen waren damals alle über 50, sind also heute über 80 oder 90 Jahre alt. Kaum eine unter 80. Die brauchen jetzt, wenn sie sich einmal die Woche treffen, Hilfe – auch um den Weg zu uns zu bewältigen. Für dieses Projekt haben wir jetzt einen Zuschuss von 5000 Euro von der Stadt bekommen – und jetzt müssen wir das angehen.
Gibt es langfristige Ziele?
Da ist es total spannend, wie sich die Rentnergenerationen verändern. Da kommt jetzt die Nachkriegsgeneration, die ticken ganz anders als die, die den Krieg und das Dritte Reich noch erlebt haben. Das wird Auswirkungen auf unsere Arbeit, auf unsere Angebote haben. Das finde ich richtig spannend und herausfordernd.