Jean-Claude Balanck
Jean-Claude Balanck, Jahrgang 1971, aufgewachsen in Kassel und Bad Arolsen - mit der belgischen Staatsbürgerschaft, Fachabitur in Korbach, Studium zum Bauingenieur – Abbruch im 6. Semester. Neuorientierung und Ausrichtung auf die Themen Menschen und Medizin. Umschulung zum Rettungssanitäter –und später zum Rettungsassistenten an der Hildegard-Vötterle-Schule in Kassel. Doch der Traum vom Hochschulstudium bliebt. 2004 Studium "Angewandte Gesundheitswissenschaften" in Magdeburg, erst Bachelor, dann Master. 2016 weiterbildendes Studium "Pädagogik im Gesundheitswesen" und 2017 Anerkennung als Lehrkraft im Rettungswesen. Seit dem 01.01.2018 Lehrer an der Hildegard-Vötterle-Schule. Balanck ist verheiratet und hat einen Sohn im Teenageralter.
Sie sind Lehrkraft an der Kasseler DRK-Rettungsdienstschule und bilden dort Rettungsdienstfachpersonal aus. Welche Fächer unterrichten Sie?
Ich arbeite seit 2018 als Lehrkraft und bin zurzeit Klassenlehrer für 18 Schülerinnen und Schüler im zweiten Ausbildungsjahr zum Notfallsanitäter. Grundsätzlich müssen wir Lehrkräfte alle ausbildungsrelevanten Themen unterrichten können. Aber natürlich entwickeln auch wir Lehrkräfte Interessensschwerpunkte. Traumatologie und Blutgerinnung aber auch Fächer wie Qualitätsmanagement und Ernährungsphysiologie, darauf bin ich spezialisiert. Durch mein Studium der angewandten Gesundheitswissenschaften habe ich mich besonders intensiv mit den Themenschwerpunkten Stressmanagement und Umgang mit Prüfungsangst auseinandergesetzt. Wissen, dass ich als Lehrer sehr gut nutzen kann.
Kann man als Lehrer an einer Rettungsdienstschule mitgestalten oder gibt es einen starren Lehrplan?
Natürlich habe ich als Lehrkraft die Freiheit die Themen der Ausbildung so aufzubereiten, wie ich es für sinnvoll erachte. Diese Freiheit der Methode schätze ich sehr. Und natürlich hat jede Lehrkraft auch eigene Themenschwerpunkte. Mir liegt u. a. das Thema Lernpsychologie sehr am Herzen. Ich habe Prüfungssituationen erlebt, in denen jungen Menschen vor lauter Prüfungsangst in der Prüfung versagt haben. Dabei wusste ich von den Personen, dass sie gut auf die Prüfung vorbereitet waren und den Lernstoff sehr gut beherrschten. Das darf nicht sein, dachte ich mir und habe ein Konzept zum Umgang mit Prüfungsangst entwickelt.
Sie waren nicht immer als Ausbilder tätig? Was haben Sie davor gemacht?
Vieles. Eigentlich habe ich erst verhältnismäßig spät – dann aber mit voller Energie auf meinen heutigen Beruf hingearbeitet. Nach meinem Studium zum Bauingenieur, dass ich im 6. Semester abgebrochen habe, habe ich lange als Rettungsassistent im Rettungsdienst gearbeitet. Berufsbegleitend habe ich dann studiert. Erst Gesundheitswissenschaften, Schwerpunkt Gesundheitspsychologie und Management und dann auch noch Pädagogik im Gesundheitswesen. War ein langer Ausbildungsweg, der mich hierhergeführt hat. Aber es hat sich gelohnt.
Die Lernmethoden heute sind ganz andere als noch vor einigen Jahren. Was hat sich verändert?
Früher gab es den ganz klassischen Frontalunterricht und dazu praktische Lerneinheiten. Handlungsorientiertes Lernen wenden wir heute an. Es hat sich nämlich gezeigt, dass im modernen Arbeitsleben nicht nur fachliches Wissen und Können gefragt sind, sondern vor allem fächerübergreifende Fähigkeiten, wie Selbständigkeit, Teamfähigkeit und Problemlösefähigkeit. Fähigkeiten, die nur in konkreten Handlungssituationen erworben werden können. Unsere Auszubildenden sind von Anbeginn aktive Problemlöser.
Bekommen die Schüler Noten?
Es ist ja bei uns nicht mehr so wie in der Schule. Wer zu uns kommt, ist kein Kind mehr und hat sich bewusst für eine besondere Ausbildung entschieden. Wir begleiten und geben unser Wissen weiter – an alle, die lernen wollen. Deshalb bezeichne ich mich auch nicht als Lehrer. Ich bin ein Lernbegleiter oder auch Coach für junge Menschen in der Ausbildung zum Notfallsanitäter. Aber klar, am Ende eines jeden Ausbildungsjahrs gibt es Prüfungen – schriftlich und praktisch - und dann eben auch Noten.
Sie unterrichten wahrscheinlich –anders als in der Regelschule- eine heterogene Gruppe von Schülern, oder?
Man muss die ganz jungen Auszubildenden, die noch keine Ahnung von Medizin haben, unterrichten und am anderen Tag ist man Lehrkraft im 3. Ausbildungsjahrgang zum Notfallsanitäter und da ist dann ein ganz anderes Niveau gefragt. Das ist ganz normal.
Es gibt auch immer wieder Schüler die vom Lernstoff unterfordert sind. Denn manche von unseren Auszubildenden haben schon Medizin studiert – zumindest ein paar Semester- denen kann ich natürlich nicht mehr so viel in Grundlagenfächern, wie z. B. Anatomie und Physiologie erklären. Manch andere kommen direkt von der Schule. Die müssen sich dann den ganzen Lernstoff erstmal erarbeiten. Meine Aufgabe ist es aber alle Auszubildenden durch die Ausbildung zu begleiten – egal mit welchem Vorwissen man bei uns ankommt.
Was gehört neben der reinen Lehrtätigkeit noch zu ihrem Job?
Als Lehrer hat man auch sehr viel Verwaltungsarbeit; da läuft man manchmal am Limit. Mein Anspruch ist hoch, ich will meinen Unterricht gut vorbereiten und verschiedene Lernmethoden anbieten. Die Zeit, die ich für administrative Tätigkeiten verwende, würde ich lieber für weitere, gute Unterrichtsvorbereitungen verwenden.
Anders als in anderen Berufen werden Notfallsanitäter auch mit schweren Schicksalsschlägen konfrontiert. Kann man junge Auszubildende darauf vorbereiten?
Manche Schüler entwickeln im Rahme der Ausbildung Ängste. Notfallsanitäter ist ein toller Beruf und ich kann junge Menschen nur ermutigen diesen Beruf zu ergreifen. Aber man darf nicht übersehen, dass dieser Beruf auch belastend sein kann. Auf einem Rettungswagen fährt der Tod einfach immer mit. Es gibt schlimme Einsätze, damit muss man rechnen und auch klarkommen können. In schwierigen Situationen hilft eigentlich nur eins: eine gute Ausbildung. Aus diesem Grund, für Schüler manchmal auch unverständlich, findet die Ausbildung in einigen Bereichen, z.B. der Praxis, auf einem teils sehr hohen Level statt. Dieses hohe Level soll aber später den Notfallsanitätern, in schwierigen Einsatzsituationen, Sicherheit bieten.
In ihren Klassen sitzen ganz unterschiedliche Menschen. Grübler oder Frohnatur wer ist besser geeignet Menschen in Notfallsituationen zu helfen?
Ganz klar, die Frohnatur. Eine positive Lebenseinstellung, gepaart mit einer gesunden Dosis Humor, entspannt sehr viele Situationen. Humor ist ausdrücklich erlaubt! Im Einsatz, aber auch in der Schule! Hierzu habe ich auch einige Semester geforscht und auch einige Artikel in Fachzeitschriften publiziert.
Innerhalb von drei Jahren Ausbildungszeit entsteht doch sicher eine enge Bindung an die Schüler oder eine Klasse. Traurig oder Stolz, wenn am Ende 25 neue Notfallsanitäter in den Beruf starten?
Oh, das ist ja meine erste eigene Klasse. Aber ganz sicher weiß ich jetzt schon, dass mir der Abschied von meinen Schülern sehr schwerfallen wird. Aber soweit ist es ja zum Glück noch nicht. Erstmal liegt noch ein Stück gemeinsamer Weg vor uns. Am Ende werde ich traurig aber auch stolz sein.
Und täglich grüßt das Murmeltier…. Die Schüler starten in den Beruf und Sie von vorn? Langweilig?
Nein, in meinem Beruf kommt keine Langeweile auf. Ich habe ja stets mit Menschen zu tun. Da kommt keine Langeweile auf. Und ich bin auch nicht der Typ dafür. Mir fällt immer etwas Neues ein undich liebe die Herausforderung!